Ein Dorf zeigt Ölscheichs die lange Nase

Effelter – Wenn Fremde in den nördlichen Kreis Kronach kommen, dann fühlen sie sich manchmal, als sei hier die Welt zu Ende. Berge, Täler und vor allem viele Wälder – das ist nicht gerade das, was man unter zivilisatorischem Fortschritt versteht. Und doch ist ein Dorf aus dieser ländlichen Idylle dabei, etwas zu schaffen, was bisher kein anderer bayerischer Ort zustande gebracht hat: Effelter, ein Gemeindeteil von Wilhelmsthal, will das erste Bioenergiedorf im weißblauen Freistaat werden.

fpnd_effelter_6spDen größten Teil des Weges haben die Einwohner von Effelter bereits zurückgelegt. Fachlich begleitet von Wolfgang Degelmann, Geschäftsführer des Bundes Naturschutz in Hof, dem Architekturstudenten Matthias Böhm aus Teuschnitz und Hans Krafczyk, Berater beim Projekt Energievision Frankenwald, haben sie die Weichen gestellt, rege unterstützt vom Wilhelmsthaler Bürgermeister Franz Hader. 1,3 Millionen Euro wird die Anlage kosten, spätestens am 1. Oktober 2008 soll die Wärme durch das Leitungsnetz in die Häuser fließen. Dann kommt die Energie nicht mehr von den Ölscheichs, sondern von den Äckern rund ums Dorf und aus dem Wald.

„Wir haben im Frankenwald und im Fichtelgebirge ein riesiges Potenzial für Bioenergie“, sagt Wolfgang Degelmann, der das von der EU geförderte Projekt Energievision auf den Weg gebracht hat. „Es könnte der größte Wirtschaftsfaktor werden, den wir hier haben.“ Für die etwa 100 000 Hektar große Fläche des Naturparks Frankenwald, der den Kreis Kronach und Teile der Kreise Hof und Kulmbach umfasst, hat er ausgerechnet, was eine Umstellung der Haushalte und öffentlichen Gebäude auf erneuerbare Energien bringen würde.

Alle privaten Haushalte verbrauchen im Naturpark, die statistischen Durchschnittswerte zugrunde gelegt, pro Jahr 1,8 Milliarden Kilowattstunden Wärme. Das entspricht 180 Millionen Liter Heizöl. Nutze man Sonne, Wind und Biomasse, rechnet Degelmann vor, dann könnte man beim jetzigen Stand der Gebäudesanierung 100 Prozent des Stroms und 60 Prozent der Wärme aus heimischen und erneuerbaren Energien decken. Bei einem Heizölpreis von 0,66 Cent pro Liter komme man auf einen Kaufkraftgewinn in Höhe von 100 Millionen Euro jedes Jahr. „Geld, das nicht ins Ausland abfließt, sondern hier bei uns bleibt“, sagt Degelmann.

Dem stünden Investitionen für den Ausbau von Nahwärmenetzen, Heizwerken und anderen technischen Einrichtungen in Höhe von etwa 600 Millionen Euro gegenüber, die zum Teil über Fördermittel von der EU, dem Bund und dem Land getragen würden. 200 Millionen Euro verblieben über die Jahre bei den Arbeitskräften in der Region – „ein Beschäftigungsprogramm ohnegleichen“, so Degelmann.

Diese Zahlen haben die Effelter überzeugt. Bei den Bürgerversammlungen kamen mindestens 100 der 280 Einwohner ins Feuerwehrhaus. Die große Aufgeschlossenheit für das Thema liegt sicher auch daran, dass der Landwirt Markus Appel bereits seit sechs Jahren eine Biogasanlage betreibt, mit der er vorrangig Strom erzeugt und nebenbei noch das Feuerwehrhaus beheizt. Diese Wärme soll künftig besser genutzt und über ein Leitungsnetz in die Häuser geleitet werden.

Degelmann hat keine ethischen Bedenken, Getreide für Wärme und Strom zu verwenden. „Ein Feld bringt doppelt bis dreimal so viel Biomasse als Wald“, sagt er. „Energie vom Acker ist genauso berechtigt wie der Anbau von Nahrungsmitteln.“ Je nach Größe brauche man nur einen Teil der Felder für die Energiegewinnung, auf den anderen Flächen könne man weiterhin Nahrungs- und Futtermittel anbauen. Wichtig findet es der Geschäftsführer des Hofer Bund Naturschutz, dass in einer Biogasanlage nicht nur Strom erzeugt, sondern auch die anfallende Wärme genutzt wird.

Quelle: www.frankenpost.de

veröffentlicht: 12. November 2007

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